Gemeinsam mit Reichsbürgern, Verschwörungsideologen und Neonazis – die Rosenheimer AfD und der „Sturm auf Berlin“

Am Samstag, den 19.08.2020 fanden in Berlin mehrere rechtsoffene Versammlungen gegen die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung statt, an denen sich auch einige Rosenheimer AfD-Politiker beteiligten. Bei den Protesten, an denen sich über 30.000 Menschen beteiligten, wurden Auflagen missachtet und Pressevertreter*innen angegriffen. Unter anderem vor der russischen Botschaft kam es zu Auseinandersetzung zwischen Rechten und der Polizei. Am Abend durchbrach eine Gruppe aus dem Spektrum der Reichsbürger sowie aus Rechtsextremist*innen Polizeiabsperrungen vor dem Reichstagsgebäude und hunderte Rechte stürmten seine Stufen. Im Verlaufe des Tages sollen rund 300 Menschen festgenommen worden sein, mutmaßlich auch der Rosenheimer AfD-Politiker Stefan Bauer.


Seit Wochen mobilisierten auch in Oberbayern u.a unterschiedliche Spektren der extremen Rechten zum „Sturm auf Berlin“. Laut Telegramgruppen soll es einen von der AfD Mühldorf organisierten Bus gegeben haben. Polizei- und Medienangaben zufolge beteiligten sich rund 38.000 Menschen, darunter Reichsbürger*innen, Neonazis, Verschwörungsideolog*innen und AfD-Politiker*innen an den verschiedenen rechtsoffenen Versammlungen in Berlin. Aus der Region Rosenheim waren vermutlich mindestens vier der zehn Vorstände des AfD-Kreisverbandes Rosenheim in Berlin anwesend. Auf ihren Facebook-Seiten posteten u.a. die Vorstandsmitglieder Andreas Winhart (MdL – Winharts Anwesenheit in Berlin lässt sich aufgrund der Posts nur vermuten, Belege für seine Anwesenheit liegen uns nicht vor), Christian Demmel (Bezirksrat und Stadtrat Kolbermoor) und Andreas Kohlberger (Stadtrat Rosenheim) Bilder aus Berlin. Ob und inwiefern sich Rosenheimer AfD-Politiker an den Auseinandersetzungen oder Reichsbürgernahen Veranstaltungen beteiligt haben ist noch unklar. Fest steht, es gibt einige Facebookposts mit bzw. in der Nähe von schwarz-weiß-roten Reichsflaggen.

Laut mehreren Twitter- und Youtubemeldungen soll das Vorstandsmitglied des AfD KV Rosenheim, der rechte Youtuber und AfD Stadtratskandidat Stefan Bauer auf einem Lautsprecherwagen in Gewahrsam genommen worden sein.
Belegt ist auch, dass hunderte Reichsbürger*innen und Neonazis, darunter Shoahleugner Gerhard Ittner (Franken) und NPD-Politiker Uwe Meenen, versucht haben, das Reichstagsgebäude zu stürmen. Auslöser war neben Hoffmans Forderung, heute ins Gebäude zu müssen, insbesondere die letzte Rednerin (Tamara K. ), die behauptete, die Polizei hätte an der russischen Botschaft die Helme abgenommen und Trump sei da, sie seien nun frei und könnten rein. Darauf stürmten viele los. Ganz vorne mit dabei: Gavin Singer von der „Jungen Alternative“ (JA). Auch Rüdiger Imgart (AfD Weilheim-Schongau), Rechtsanwalt & Richter am Bayerischen Verfassungsgerichtshof, war bereits am Vortag bei der Kundgebung von Reichsbürger*innen, Rechtsradikalen, Neonazis und Anhänger*innen der Verschwörungstheorie „QAnon“, aus der heraus am Samstag die Treppe vor dem Reichstagsgebäude gestürmt wurde. Mitten drin im Geschehen war auch der Traunsteiner AfD-Bundestagsabgeordneter Hansjörg Müller, welcher 2017 die Störung einer Veranstaltung mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Rosenheim anführte. Er ist in einem Video in einer Situation, in der Polizisten angegriffen wurden, direkt neben Neonazis stehend zu sehen. Im weiteren Verlauf kam es zu Ausschreitungen (ab 0:26). Und auch der bayerische AfD-MdL Ralf Stadler (Passau) demonstrierte mit Reichsbürger*innen für eine „gültige Verfassung in der BRD“. Im Umfeld der Ausschreitungen trat auch immer wieder der ehemalige AfD-Kreischef von Bad Tölz, Mario Buchner , mit seiner neuen rechtsradikalen Minigruppierung „Forke & Schaufel“ aus dem Westerwald auf. Die bayerische AfD ist dabei keine Ausnahme, auf Twitter wurde die Teilnahme von mindestens 39 Bundestagsabgeordneten der AfD belegt. Darunter mindestens 7 der 14 bayerischen AfD Bundestagsabgeordneten: Neben dem bereits erwähnten Hansjörg Müller (Wahlkreis Traunstein) waren noch Corinna Miazga (Wahlkreis Straubing) Gerold Otten (Wahlkreis München-Land),Wolfgang Wiehle (Wahlkreis München-Süd), Tobias Matthias Peterka (Wahlkreis Bayreuth), Martin Sichert (Wahlkreis Nürnberg-Nord) und Stephan Protschka (Wahlkreis Rottal-Inn) anwesend.

Zwei weitere Anmerkungen:
A) Zu den „Wir sind das Volk“-Rufen: Nur 11% der Bundesbürger*innen finden, dass die Corona-Maßnahmen zu weit gehen, 59 Prozent der Deutschen halten die Maßnahmen für ausreichend und 28 Prozent gehen sie nicht weit genug. Laut einer Forsa-Umfrage gaben 91 Prozent der Befragten an, kein Verständnis für die Proteste zu haben. Nur neun Prozent äußerten sich demnach zustimmend.

B) Zur hohen Einschreitschwelle der Polizei: Der Fachjournalist Robert Andreasch belegt als erster13, dass mindestens drei bayerische Polizisten als Corona-Leugner auf der extrem rechten, verschwörungsideologischen Kundgebung in Berlin sprachen: Karl Hilz (Polizeipräsidium München), Wolfgang Kauth (Kriminalpolizei Augsburg) und Bernd Bayerlein (Polizei Weißenburg). Inzwischen berichten auch Medien wie Süddeutsche, Stern und ntv darüber, dass Bayerns Behörden die Auftritte der drei bayerischen Polizisten „prüfen“.