Menschenverachtender Post zu Merkels Corona-Quarantäne
Gestern Abend (22.03.20) hatte der Bad Aiblinger AfD-Politiker Andreas Winhart anlässlich des Zeitungsartikels „Merkel in Corona-Quarantäne“ folgende Bemerkung getwittert:
„#Merkel in #Quarantäne! Gut, hinter Gitter wäre besser, aber is ja schon mal ein Anfang.(…)“
Inzwischen ist der Tweet gelöscht1. Das Vorgehen Winharts ist eine typische Kommunikationsstrategie der AfD: „Provokation – Zurücknahme – erneute Provokation“.
In einem internen Strategiepapier der AfD aus dem Jahr 2017 heißt es: „Die AfD muss […] ganz bewusst und ganz gezielt immer wieder politisch inkorrekt sein“. Die AfD setzt also offene Tabubrüche wie Winharts Tweet gezielt ein und kalkuliert mit der Aufmerksamkeit, die sie dadurch erlangt. Das Strategiepapier empfiehlt den AfD-Politiker*innen weiter „Konzentration auf Eingängiges geht vor Vollständigkeit, harte und provokante Slogans sind wichtiger als lange, um Differenzierung bemühte Sätze, die es allen recht machen wollen.“
Die Amadeu Antonio Stiftung hat in ihrer Publikation „Demokratie in Gefahr“ (2019) diese Skandalisierungsstrategie am Beispiel Alexander Gaulands vom Juni 2018 grafisch dargestellt.
Grafik: Foto der Publikation „Demokratie in Gefahr“ (2019), S 171
Die undeutliche Wortwahl wie „für die Vorkommnisse entschuldigen“ in Winharts heutiger halbgarer Distanzierung zeigen, dass er sich nicht für den Inhalt sondern „für die Vorkommnisse“ entschuldigt. Und aus „hätte auch nie online sein dürfen“, können AfD-Sympathisant*innen bereits zwischen den Zeilen die Opferrolle herauslesen. Nicht verwundern würde es daher, wenn sich Winhart in Kürze als der „Freiheitskämpfer für die Meinungsfreiheit“ inszenieren würde, der „sagt was Sache ist“, was man angeblich „heute nicht mehr sagen darf“. Die Soziologin und Medienwissenschaftlerin Franziska Schutzbach3 beschreibt die rechte Tabubruch-Rhetorik wie folgt:
„Da spielt die Inszenierung des Tabubruchs eine große Rolle. Mit der Rhetorik der Anti-Political-Correctness ist eng die Heldentat der Enttabuisierung verbunden. Damit kann man sich als Freiheitskämpfer inszenieren. (…) Mit Schlagwörtern wie „Tabubruch“ und „Meinungsvielfalt“ wurde es möglich, Lügen zu verbreiten und die Wirklichkeit stark zu verzerren (…).“
Der genannte ist nicht der erste „Tabubruch“ von Winhart. Nach Skandalen wie dem „Hähnchenschenkel-Hakenkreuz“ (2017) oder der heimlichen Wahlkampffinanzierung (2018)6 wurde Winhart ebenfalls 2018 bundesweit als „Krätze-Andy“ bekannt. Auf einer Wahlkampfveranstaltung forderte er, „wenn mich in der Nachbarschaft ein Neger anküsst oder anhustet, dann muss ich wissen, ist er krank oder ist er nicht krank“. Und die Wahl der AfD biete die Chance, „die Soros-Flotte mit den ganzen Rettungsbooten im Mittelmeer zu versenken.“
In der Folge gab Winhart damals ein „Distanzierungs“-Statement ab, ohne wirklich inhaltlich vom Gesagten abzurücken und sich gleichzeitig als Anti-Political-Correctness-Held zu inszenieren. Auf Facebook schrieb er: „Es tut mir leid, dass ich im Zuge meiner Rede in Willing Schwarzafrikaner nicht politisch korrekt angesprochen habe.“ Von dem zweiten Teil der Aussage, welcher als indirekter Mordaufruf gesehen werden kann, distanzierte er sich nie; genauso wenig wie von der antisemitischen Verschwörungstheorie einer angeblich durch den jüdischen Investor George Soros gesteuerten Migration.9 Winhart wurde damals wegen Volksverhetzung angezeigt, jedoch stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Das Magazin VICE analysierte vor wenigen Tagen (13.03.20) den Prozess und die „krude Begründung“ der Staatsanwaltschaft in dem Artikel „So viel Verständnis zeigt die Staatsanwaltschaft, wenn ein AfDler gegen Geflüchtete hetzt“.
Das Hassposting zu Merkels Corona-Quarantäne zeigt wiedereinmal die zutiefst menschenverachtende Agitation Winharts und der Rosenheimer AfD. Seit Jahren fällt er in bewährter AfD-Manier immer wieder mit den verschiedensten Tabubrüchen auf. Seine vordergründige Distanzierung ist wenig glaubhaft, sondern wirkt wie eine bewusste Strategie.
Quellen sind im Text verlinkt, weitere Fußnoten :
1Nach viel öffentlicher Kritik ist nun auf Twitter zu lesen: „Ich möchte mich nochmals, nach dem Löschen des Tweets und der Richtigstellung von gestern Abend, für die Vorkommnisse entschuldigen. Der Post in Bezug auf Frau Merkel war nicht richtig und wurde daher umgehend gelöscht – er hätte auch nie online sein dürfen.“ –> screenshot-twitter.com
3Franziska Schutzbach ist Autorin des Buches „Die Rhetorik der Rechten. Rechtspopulistische Diskursstrategien im Überblick“ (Zürich 2018) sie lehrt und forscht derzeit an der Uni Basel und der Uni München.
6Vgl. auch https://www.zeit.de/politik/deutschland/2018-09/afd-wahlkampf-unterstuetzerverein-parteienfinanzierung-illegalitaet
9 Vgl. auch https://www.fr.de/meinung/feindbild-george-soros-10969996.html