AfD: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?“

Heute hetzt die AfD gegen Radentscheid, welchen Kohlberger noch vor Wochen begrüßte

Insgesamt 9500 Menschen haben sich mit ihrer Unterschrift für das Bürger*innenbegehren „Radentscheid Rosenheim“ ausgesprochen. Nachdem am 06.02. diese Unterschriften übergeben worden waren, hat der Stadtrat am 04.03. das Bürger*innenbegehren „Radentscheid“ mit 40:3 Stimmen angenommen. Am Sa 07.03. postet die AfD einen OVB-Artikel vom 05.03. und kommentiert diesen mit den Worten:

Wenn zwei der selben Meinung sind, denkt einer nicht mit (…) wir sind gegen ideologie-getriebene Projekte die, mit schönen Namen versehen, versteckte Angriffe auf unsere Freiheiten sind (wie in diesem Fall, auf das Auto).(…) Besteht wirklich ein Bedarf die ganze Stadt umzukrempeln und Millionen von Euro für Maßnahmen auszugeben die uns über Jahre hinaus Baustellen in der Stadt bescheren werden und nur geringfügige Verbesserungen bringen werden (ach ja, unsere Weltenretter im Rathaus wollen ja zeitgleich noch weitere Millionen von Euro für das Klima ausgeben).(…) Als AfD im Stadtrat hätten wir uns konsequent gegen diesen Blankocheck gewehrt! Geben Sie unserem OB-Kandidaten Andreas Kohlberger Ihre Stimme! Geben Sie unseren Stadtratskandidaten Ihre Stimme. Wir werden Ideologieprojekte konsequent ablehnen! (…)“

Gefahr für die Freiheitsrechte der Autofahrer?

Nicht nur in der Region ist der AfD das Thema Umwelt- und Klimaschutz ein Dorn im Auge. Die Wähler*innenfang-Strategie der AfD lautet bundesweit schon länger: „Klimakrise leugnen, Diesel preisen“1 Damit will die AfD jenseits des Themas Migration, ein zweites Themenfeld als Alleinstellungsmerkmal besetzen und inszeniert sich damit als Fürsprecher der Autofahrer*innenlobby. Erst kürzlich bezeichnete der AfD-Politiker Dirk Spaniel im Bundestag Fahrräder als „in hohem Maße unpraktisch und gefährlich.“ (https://twitter.com/SecretCoAuthor/status/1218166637582594051). Es wundert nicht, dass die lokale AfD nicht nur Unwahrheiten über eine Kunstaktion zum Thema Klimawandel verbreitet, sondern sich nun auch als Verteidiger von Freiheitsrechten der Autofahrer*innen präsentiert und gegen den Radentscheid hetzt.

Inszenierung als Befürworter von Bürgerbeteiligung geht nicht auf

Das widerspricht aber in diesem Fall der Strategie, sich unter dem Label „pro Bürgerentscheide“ als „Vollstrecker des Volkswillens“ gegen „die da oben“ zu präsentieren. In dem internen, („vertraulich“) gehandhabten 2017 herausgegebenen Strategiepapier wird unter dem Punkt V. „Eigene Kompetenz und den Protest gleichermaßen zur Profilierung nutzen“ das Thema „direkte Demokratie und Bürgerbeteiligung“ als Kernthema propagiert. Das Engagement für „(…) mehr direkte Demokratie und gegen Bevormundung der Bürger (…)“ sei ein positives Thema.

(Quelle: https://afdwatchbremen.com/wp-content/uploads/2017/08/strategiepapier_leak_bundesafd_2017.pdf)

Auf diese Strategie hatte der Rosenheimer AfD-Bürgermeisterkandidat noch kürzlich gesetzt. Im November verlinkte er auf www.radentscheid-rosenheim.de mit dem Kommentar „Bürger an die Macht – Ja zu Bürgerentscheiden“

Bereits im Oktober postete er „Auf die Stimme der Bürger hören – klares JA zum Bürgerentscheid für Radverkehr! (…) Den hier aufgelisteten Forderungen stimme ich freiweg zu“.

Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?“

Heute gegen den Radentscheid zu hetzen, welchen Kohlberger noch vor Wochen begrüßte wirkt paradox. Und wirft Fragen auf:

Hat Kohlberger sich verkalkuliert und nicht damit gerechnet, dass das Bürgerbegehren angenommen wird? Dann hätte er sich weiter als Vertreter von „Direkter Demokratie und Bürgerbeteiligung“ präsentieren können.

Oder hat Kohlberger die Inhalte des Bürgerbegehrens gar nicht gelesen (oder nicht erfassen können)? Hat er evtl. gar nicht überrissen, dass in diesem Fall „pro Bürgerentscheid“ bedeutet „contra AfD-Position“?

1 Den Einfluss des Menschen auf das Klima streitet Teile der AfD offenkundig weiter ab. In ihrer „Dresdner Erklärung“ betonten die umweltpolitischen Sprecher im Juli, „ein Einfluss des Spurengases CO2 oder anderer auch durch menschliche Aktivität erzeugten sog. Treibhausgase, ist in den globalen Messreihen für Temperatur, Meeresspiegelanstieg, Sturm/Orkan-Aktivitäten trotz immensen Aufwandes und politischen Druckes auf die Akteure nirgendwo und über keinen Zeitraum – von wenigen Kurzzeitkorrelationen abgesehen – nachzuweisen“. Die AfD lehne „einen ideologisch begründeten Kohleausstieg sowie eine CO2-Steuer bzw. Bepreisung von CO2 in jeglicher Form ab und fordert den Ausstieg aus dem Pariser Klima-Übereinkommen von 2015“.